Das Beschwerdeverfahren des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (Lieferkettengesetz – LkSG) dient als Frühwarnsystem und soll die Meldung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken eines Unternehmens entlang dessen globaler Lieferketten ermöglichen.
Die gesetzliche Normierung des Beschwerdeverfahrens in § 8 LkSG erweist sich jedoch als allgemein und unkonkret. Wir bieten Ihnen einen Überblick über das Verfahren und die in der Praxis zu implementierenden Maßnahmen.
Allgemeine Anforderungen an das LkSG-Beschwerdeverfahren
In den Regelungsbereich des LkSG fallen alle Unternehmen mit Hauptsitz oder Zweigniederlassung in Deutschland, die mindestens 3.000 Mitarbeiter (ab 1. April 2024: min. 1.000 Mitarbeiter) beschäftigen.
Gemäß § 8 LkSG haben die von dem Gesetz betroffenen Unternehmen ein internes oder externes Beschwerdeverfahren einzurichten. Dieses soll den Kriterien der § 8 Abs. 2 bis 4 LkSG entsprechend Beschwerden über menschenrechtliche und umweltbezogene Risken des Unternehmens und seiner Zulieferer ermöglichen. Neben dem eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens, erstrecken sich die Sorgfaltspflichten im Zuge des Beschwerdeverfahrens also auch auf die Zulieferer – sowohl unmittelbare als auch mittelbare. Die Regelungen zum Beschwerdeverfahren greifen somit deutlich weiter als sonstige Verpflichtungen des LkSG, die sich oftmals auf das Unternehmen und dessen unmittelbare Zulieferer beschränken.
Ausgangspunkt ist eine durch das jeweilige Unternehmen zu veröffentlichende, schriftliche Verfahrensordnung. Diese beschreibt unter anderem Anwendungsbereich, Ablauf und Hinweisgeberschutz des Beschwerdevorgangs des Unternehmens.
Das Verfahren wird entweder betreut durch den gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichteten internen Beschwerdebeauftragten, welcher als unparteiische, unabhängige und nicht weisungsgebundene Ansprechperson fungiert. Erforderlich sind eine angemessene Schulung und ausreichend zeitliche Ressourcen für die Wahrnehmung des Amtes. Oder das Verfahren wird extern durchgeführt, dann ist eine interne Kontaktstelle für die Nachverfolgung von Hinweisen festzulegen.
Alternativ zum Beschwerdeverfahren kann auch die Möglichkeit der einvernehmlichen Streitbeilegung durch das Unternehmen angeboten werden. Vermittelt durch einen neutralen Dritten wird dort in einem weniger streng regulierten Verfahren eine gemeinsame Lösung entwickelt.
Ablauf des LkSG-Beschwerdeverfahrens
- Erhebung der Beschwerde durch die hinweisgebende Person
- Versendung einer Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person mit Informationen über die nächsten Schritte und den zeitlichen Ablauf
- Prüfung, ob die Beschwerde in den Anwendungsbereich des LkSG fällt
- Klärung des Sachverhalts, gemeinsam durch den Beschwerdebeauftragten und die hinweisgebende Person
- Lösungsfindung unter Einbezug der Vorstellungen der hinweisgebenden Person
- Umsetzung der erarbeiteten Abhilfemaßnahmen
- Überprüfung und Evaluation des Ergebnisses gemeinsam mit der hinweisgebenden Person
Zugänglichkeit des LkSG-Beschwerdeverfahrens
Das Beschwerdeverfahren muss entlang der gesamten Lieferkette öffentlich zugänglich und verständlich sein. Insbesondere sind folgende Aspekte zu beachten:
Zugriffsmöglichkeiten
Das Einreichen einer Beschwerde muss für die Öffentlichkeit zugänglich an einem leicht auffindbaren Ort möglich sein. Dies kann beispielsweise auf der Unternehmenswebsite erfolgen.
Insbesondere dient das Verfahren Personen im Unternehmensbereich und dessen Lieferketten. Aber auch nicht direkt betroffene Personen haben die Möglichkeit zur Beschwerde. Eine Trennung von internen und externen Beschwerden durch beispielsweise einen separaten Meldekanal in Form eines Formulars ist ebenfalls zulässig.
Barrierefreiheit
Ferner sollte das Verfahren sprachlich und technisch möglichst barrierefrei sein.
- Sprachlich: Neben Deutsch und Englisch sollte das Formular auch in den Sprachen der eigenen Geschäftsbetriebe und der wichtigsten unmittelbaren Zulieferer angeboten werden.
- Technisch: Aus technischer Sicht bietet sich ein zweigleisiges Angebot bestehend aus einem Internetformular und einer Telefonhotline an. Weitergehende Maßnahmen, wie lokale Ansprechpersonen oder Beschwerdebriefkästen können zusätzlich eingerichtet werden.
Vertraulichkeit und Schutzvorkehrungen beim Beschwerdeverfahren
Besonders wichtig ist die Vertraulichkeit des Verfahrens, welche vorrangig dem Schutz der hinweisgebenden Person dient. Eine anonyme Nutzung des Beschwerdeverfahrens ist nicht verpflichtend vorgeschrieben, kann aber vor allem im unternehmensinternen Bereich eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Die hohe Vertraulichkeit gilt jedoch auch dem Schutz des Unternehmens, welches oftmals ein Interesse an einer diskreten Lösungsfindung hat. Während die beschwerdeführende Person ihre Identität dem Unternehmen gegenüber für eine vereinfachte Lösungsfindung preisgeben kann, ist ihr dies gegenüber der Öffentlichkeit nur mit Zustimmung des Unternehmens gestattet.
Des Weiteren hat das Unternehmen Maßnahmen zum Schutz der hinweisgebenden Person vor Repressalien zu treffen. Es ist verpflichtet Vergeltungsmaßnahme nicht zu tolerieren und an konkrete Konsequenzen zu knüpfen. Ferner wird empfohlen, den Kontakt zu hinweisgebenden Personen auch nach Abschluss des Verfahrens aufrecht zu erhalten, um etwaige Vergeltungsversuche zu verhindern.
Dokumentation und öffentliche Berichterstattung
Eingegangene Beschwerden und getroffene Präventions- sowie Abhilfemaßnahmen müssen dokumentiert und öffentlich berichtet werden. Ausgenommen sind hier lediglich missbräuchliche Beschwerden, wie Spam oder jene mit wissentlich falschen bzw. irreführenden Informationen.
Wirksamkeitsüberprüfung des Beschwerdeverfahrens
Das Verfahren muss regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft werden. Dies erfolgt mindestens jährlich und zusätzlich anlassbezogen bei veränderter oder wesentlich erweiterter Risikolage (z.B. bei der Einführung neuer Geschäftsfelder).
Überprüft wird, ob ausreichend Möglichkeiten und Ermutigung für eine Beschwerde auch vor dem Eintritt einer Pflichtverletzung bestehen, in welchem Maße das Beschwerdeverfahren im Prozess für angemessene Abhilfemaßnahme beteiligt ist und wie Schäden für die hinweisgebenden Personen verhindert werden sollen. Die Prüfung orientiert sich dabei an den Effektivitätskriterien der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP).
Zur systematischen Wirksamkeitsmessung des Beschwerdeverfahrens kann ein Key Performance Indicator (KPI) genutzt werden. Dieser kann unter anderem Faktoren, wie die Anzahl der Beschwerden, die durchschnittliche Dauer für die Lösung einer Beschwerde oder auch die Zufriedenheit des Hinweisgebers mit dem Ergebnis enthalten.
Fazit
Das Beschwerdeverfahren ist eine wichtige Säule des Lieferkettengesetzes und stellt zusammen mit der benötigten Risikoanalyse hohe Anforderungen an vielfältig vernetzte Unternehmen. Um Bußgelder und Strafen zu verhindern, ist gerade aufgrund der allgemeinen Gesetzes-Regulatorik eine fachgerechte Anpassung an das jeweilige Unternehmensumfeld empfehlenswert.
Überschneidungen ergeben sich auch in Hinblick auf im Rahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes einzuhaltender Verfahrensschritte. Hier lassen sich Synergien bei der Schaffung neuer Rollen und oder der Anschaffung von Meldesystemen im Unternehmen nutzen.