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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

David Weihbrecht

Rechtsreferendar

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) will der deutsche Gesetzgeber Unternehmen dazu bringen, bei digitalen Produkten und Dienstleistungen Hürden für Menschen mit Behinderungen abzubauen. Wir erklären, wer vom BFSG betroffen ist und welche Anforderungen auf Wirtschaftsakteure zukommen.

In Kürze

  • Das BFSG setzt eine EU-Richtlinie – den European Accessibility Act (EAA) – in nationales Recht um.
  • Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Volltext) tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Einige Fristen greifen sofort, andere erst später.
  • Das BFSG betrifft digitale Produkte und Dienstleistungen, die nach Inkrafttreten in Deutschland in Verkehr gebracht, angeboten oder erbracht werden.
  • Die einzelnen materiellen Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen hat der Gesetzgeber in einer Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) geregelt.

Warum ein Gesetz zur Barrierefreiheit?

Uneingeschränkte Partizipation am gesellschaftlichen Leben in all seinen Facetten und verschiedenen Möglichkeiten ist oftmals keine Selbstverständlichkeit. Teilhabe ist regelmäßig an Fähigkeiten, Fertigkeiten und andere Ressourcen geknüpft. Menschen mit Behinderungen bzw. Einschränkungen stehen deshalb oft vor besonderen Herausforderungen.

Barrierefreiheit soll dabei helfen, diese Herausforderungen zu reduzieren. Dabei geht es aber nicht nur um etwa die Zugänglichkeit von öffentlichen Räumen für Rollstuhlfahrer oder Sehbehinderte. Barrierefreiheit betrifft alle Menschen mit dauerhaften oder temporären Einschränkungen physischer oder psychischer Natur – und zwar in allen Lebensbereichen.

Konsequent betrachtet, kann Barrierefreiheit deswegen bspw. auch die einhändige Benutzbarkeit von digitalen Geräten und Anwendungen meinen, wenn ein Elternteil ein schreiendes Baby auf dem Arm hat und versucht, den Giftnotruf anzurufen.

Deutsche Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Barrierefreiheit

Eine einheitliche Regelung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung fand sich bisher im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Es enthält jedoch nur Vorgaben für öffentliche Stellen.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) setzt nun die Richtlinie (EU) 2019/882, den European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht um und verpflichtet damit zukünftig Teilnehmer auf dem freien Markt gegenüber Verbrauchern.

Die deutsche Umsetzung geht dabei nicht über die Anforderungen der europäischen Richtlinie hinaus und nutzt damit Öffnungsklauseln mit Möglichkeiten zu einer umfassenderen Regelung nicht.

Das BFSG wirkt sich nicht aus auf den öffentlichen Regionalverkehr, Produkte und Dienstleistungen, die zu rein geschäftlichen Zwecken genutzt werden oder die bauliche Umwelt von Dienstleistungen (Art. 4 Abs. 4 EAA). Zudem liegt dem BFSG keine intersektionale Zweckbestimmung zugrunde, wie beispielsweise zur speziellen Durchsetzung von Gleichberechtigung für Frauen mit Behinderung und zur Berücksichtigung hinzutretender Gründe aus § 1 des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG), wie sie in § 2 BGG angelegt sind.

Anwendungsbereich des BFSG

Der Anwendungsbereich des BFSG umfasst digitale Produkte und Dienstleistungen, die unter den § 1 Abs. 2, 3 BSFG fallen und nach dem 28. Juni 2025 in Deutschland in Verkehr gebracht beziehungsweise angeboten oder erbracht werden.

Die Abgrenzung zwischen Produkten und Dienstleistungen wird anhand der Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 2, 3 BFSG vorgenommen.

  • Danach kann ein Produkt ein Stoff, eine Zubereitung oder eine Ware sein, der oder die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden ist. Ausgenommen davon sind Lebensmittel, Futtermittel, lebende Pflanzen und Tiere, Erzeugnisse menschlichen Ursprungs und Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen.
  • Dienstleistung ist dagegen jede selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird.

Zu den vom BFSG erfassten Produkten gehören:

  • Hardwaresysteme für Universalrechner;
  • Selbstbedienungsterminals (Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten Check-In-Automaten, interaktive Selbstbedienungsterminals);
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste oder für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden (Smartphones, Tablets, Konsolen);
  • E-Book-Lesegeräte.

Zu den erfassten Dienstleistungen gehören:

  • Telekommunikationsdienste (Telefonie und Messenger-Dienste);
  • interaktive Selbstbedienungsterminals von Personenbeförderungsdiensten;
  • Websites, auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen und elektronische Tickets von Personenbeförderungsdiensten mit Ausnahme von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten;
  • Bankdienstleistungen;
  • E-Books;
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr.

Den größten Anwendungsbereich werden Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr eröffnen. Nach § 2 Nr. 26 BFSG sind das Dienstleistungen der Telemedien, die über Websites und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Damit wird Art. 2 Abs. 2 lit. f der EU-Richtlinie umgesetzt.

Gemeint ist damit der Online-Verkauf aller Produkte und Dienstleistungen, wobei für Dienstleistungen und Produkte, die nicht selbst unter das BFSG fallen, nur die Websites und mobilen Anwendungen der Dienstleister umfasst sind.

Anforderungen des BFSG

Die Vorgaben zur Barrierefreiheit gelten nach § 3 Abs. 1 BFSG für Wirtschaftsakteure. Das sind nach § 2 Nr. 15 BFSG Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer, Händler oder Dienstleistungserbringer (Dienstleister). Sie sind verpflichtet die Anforderungen aus § 3 ff. BSFG umsetzen. Dafür müssen Produkte und Dienstleistungen, die ein Wirtschaftsakteur auf dem Markt bereitstellt, barrierefrei sein. Das ist wiederum der Fall, wenn sie für Menschen mit Behinderung ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Detaillierte Anforderungen zur Barrierefreiheit, insbesondere im Bezug auf einzelne Produkt- und Dienstleistungsarten, hat der Gesetzgeber aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 2 BFSG in einer gesonderten Verordnung erlassen, der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV).

Vom BFSG betroffene Wirtschaftsakteure

Die Anforderungen und andere Pflichten müssen gemäß § 2 Nr. 17 BFSG (zumindest in Hinsicht auf Dienstleistungen) nicht von Kleinstunternehmen erfüllt werden, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme höchstens 2 Millionen Euro beträgt.

Für diese Kleinstunternehmen gibt es allerdings gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 BFSG eine Leitlinie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die die Umsetzung erleichtern soll und darauf eingeht, warum sich eine Umsetzung trotz fehlender Verpflichtung lohnt.

Des Weiteren gibt es für Kleinstunternehmen nach § 15 BFSG ein Beratungsangebot der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit, die die Anwendung des Gesetzes erleichtern soll.

Hersteller ist nach § 2 Nr. 11 BFSG jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet.

Einführer ist nach § 2 Nr. 13 BFSG jede in der Europäischen Union ansässige natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die ein Produkt aus einem Drittstaat auf dem Unionsmarkt in den Verkehr bringt.

Händler ist nach § 2 Nr. 14 BFSG jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft in der Lieferkette, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Einführers.

Dienstleistungserbringer ist nach § 2 Nr. 4 BFSG jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die auf dem Unionsmarkt eine Dienstleistung für Verbraucher erbringt oder anbietet, eine solche Dienstleistung zu erbringen.

Bevollmächtigter ist nach § 2 Nr. 12 BFSG jede in der Europäischen Union ansässige natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen. Der Bevollmächtigte nimmt die ihm vom Hersteller übertragenen Pflichten für diesen in dessen Namen wahr (siehe unten).

Pflichten der Marktakteure

Die Pflichten der Marktakteure setzten sich entsprechend ihrer Rolle unterschiedlich zusammen.

Es müssen in jedem Fall die Anforderungen der BFSGV eingehalten werden, damit ein Hersteller Produkte in den Verkehr bringen darf (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BFSG). Weitere Voraussetzungen sind aber

  • eine technische Dokumentation nach Anlage 2,
  • eine Konformitätsbewertung mit den Barrierefreiheitsanforderungen,
  • eine Konformitätserklärung nach § 18 BFSG und
  • die CE-Kennzeichnung des Produkts nach § 19 BFSG.

Zudem hat der Hersteller die Marktüberwachungsbehörde zu informieren, wenn das Produkt den Anforderungen nicht mehr entspricht und geeignete Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Das Produkt muss klar und verständlichen individuell gekennzeichnet sein, Informationen über den Hersteller (insbesondere die Postanschrift), sowie eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache enthalten (§ 7 BFSG).

Das Konformitätsbewertungsverfahren nach Anlage 2 enthält folgende Verpflichtungen:

  1. Eine technische Dokumentation, anhand der die Übereinstimmung mit den Barrierefreiheitsanforderungen bewertet werden kann, einschließlich der Angabe, welche harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen angewandt wurden oder welche anderen Lösungen für die Konformität mit den Anforderungen eingesetzt wurden. Sie muss auch den etwaigen Nachweis über eine grundlegende Veränderung oder unverhältnismäßige Belastung durch die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen enthalten (siehe unten unter Einschränkungen).
  2. Der Hersteller muss alle erforderlichen Maßnahmen treffen, damit der Fertigungsprozess und seine Überwachung die Übereinstimmung mit der technischen Dokumentation und den Barrierefreiheitsanforderungen gewährleisten.
  3. Auf jedem Produkt muss eine CE-Kennzeichnung angebracht werden und für ein Produktmuster ist eine schriftliche oder elektronische EU-Konformitätserklärung auszustellen.

Der Einführer darf ein Produkt erst in den Verkehr bringen, wenn der Hersteller all seine Pflichten aus § 6 und 7 BSFG erfüllt hat (§ 9 BFSG). Hat er Grund zu Annahme, dass das Produkt die Anforderungen der BFSGV nicht erfüllt, muss er den Hersteller und die Marktüberwachungsbehörde darüber informieren.

Weiterhin dürfen Lagerungs- und Transportbedingungen die Übereinstimmung des Produkts mit den Barrierefreiheitsanforderungen nicht beeinträchtigen. Parallel zum Hersteller muss das Produkt Informationen über den Einführer enthalten und er muss sicherstellen, dass eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformation in deutscher Sprache beigefügt sind.

Der Händler darf das Produkt erst auf dem Markt bereitstellen, wenn Hersteller und Einführer ihre Pflichten erfüllt haben, § 11 BFSG. Auch er hat Informationspflichten gegenüber der Marktüberwachungsbehörde und dem Hersteller oder dem Einführer, wenn er Grund zur Annahme hat, das Produkt erfülle die Pflichten der BFSGV nicht. Hinsichtlich Lagerungs- und Transportbedingungen dürfen diese auch bei ihm die Übereinstimmung des Produkts mit den Barrierefreiheitsanforderungen nicht beeinträchtigen.

Einführer und Händler treffen die Pflichten eines Herstellers, wenn sie Produkte unter eigenem Namen oder eigener Marke in den Verkehr bringen oder ein Produkt so verändern, dass die Konformität mit den Anforderungen der BFSGV beeinträchtigt werden kann.

Der Dienstleister muss nach § 14 BFSG ebenfalls grundsätzlich die Anforderungen der BFSGV erfüllen. Darüber hinaus muss er Informationen über die Dienstleistung nach Anlage 3 BFSG barrierefrei verfügbar machen. Diese Informationen sind so lange aufzubewahren, wie die Dienstleistung angeboten oder erbracht wird. Auf Veränderungen der Anforderungen muss der Dienstleister gebührend reagieren und bei Nichtkonformität erforderliche Korrekturmaßnahmen ergreifen.

Den Dienstleister treffen ebenfalls Informationspflichten gegenüber allen Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedsstaaten, in denen er die Dienstleistung anbietet, wenn diese die Anforderungen der BFSGV nicht erfüllt, sowie eine Nachweispflicht § 14 Abs. 4, 5 BFSG.

Die Informationen nach Anlage 3 muss der Dienstleister in seinen AGB oder auf andere deutliche wahrnehmbare Weise angeben. In ihnen muss er ausführen, wie die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die Informationen enthalten folgende Elemente:

  1. die bereits nach den Verbraucherschutzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verpflichtenden Verbraucherinformationen nach Artikel 246 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB);
  1. eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
  2. Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
  3. eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die in der Verordnung zum BFSG aufgeführten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt;
  4. die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.

Nach § 13 BFSG besteht für Wirtschaftsakteure gegenüber der Marktüberwachungsbehörde die Pflicht, auf deren Verlangen andere Wirtschaftsakteure zu benennen, von denen sie Produkte bezogen haben oder an die sie Produkte abgegeben haben. Diese Informationen müssen der Wirtschaftsakteure mindestens fünf Jahre lang vorhalten.

Nach § 35 BFSG sind Wirtschaftsakteure weiterhin verpflichtet der Marktüberwachungsbehörde Auskünfte zu erteilen, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.

Einschränkungen der Pflichten nach BFSG

Grundlegende Veränderungen

§ 16 Abs. 1 BFSG beinhaltet eine Ausnahme: Wenn für die Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen eine grundlegende Veränderung des Produktes notwendig wäre, entfällt die Umsetzungspflicht insoweit.

Eine grundlegende Veränderung soll nach der Gesetzesbegründung vorliegen, wenn durch die Konformität mit den Barrierefreiheitsanforderungen der Zweck, den das Produkt erfüllen soll, nicht mehr erreicht werden kann. Die Veränderung muss jedoch das Produkt selbst betreffen. Mangelnde Zeit, Kenntnis oder Priorität sind keine ausreichenden Gründe.

Die entsprechende Beurteilung ist vom betroffenen Wirtschaftsakteur vorzunehmen, zu dokumentieren und auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde vorzulegen. Die Dokumentation ist fünf Jahre lang aufzubewahren, ab dem Zeitpunkt der letzten Erbringung der Dienstleistung oder Bereitstellung des Produkts.

Beruft sich ein Wirtschaftsakteur auf die Ausnahme des § 16 Abs. 1 S. 1 BFSG, ist er verpflichtet, unverzüglich die Marktüberwachungsbehörden aller Mitgliedsstaaten zu informieren, in denen das Produkt angeboten oder die Dienstleistung erbracht werden soll.

Unverhältnismäßige Benachteiligung

Des Weiteren gelten die Anforderungen der BFSGV nach § 17 BFSG nur, insoweit es für den Wirtschaftsakteur nicht zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung nach Anlage 4 BFSG führt. Diese Einschätzung ist wie in § 16 BFSG zu beurteilen.

Die Kriterien zur Beurteilung einer unverhältnismäßigen Benachteiligung nach Anlage 4 BFSG sind:

  1. das Verhältnis der Nettokosten für die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen zu den Gesamtkosten des jeweiligen Wirtschaftsakteurs,
  2. die geschätzten Kosten und Vorteile für Wirtschaftsakteure im Verhältnis zum geschätzten Nutzen für Menschen mit Behinderungen und
  3. das Verhältnis der Nettokosten für die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zum Nettoumsatz des Wirtschaftsakteurs.

Beruft sich ein Marktakteur auf § 17 BFSG hat er dies wiederum der Marktüberwachungsbehörde mitzuteilen. Für Kleinstunternehmen besteht ein vereinfachter Prozess. Ein Dienstleistungserbringer hat eine entsprechende Beurteilung mindestens alle fünf Jahre zu erbringen, sofort wenn die Dienstleistung verändert wird oder auf Verlangen der zuständigen Behörde.

Ein Rückgriff auf eine unverhältnismäßige Benachteiligung ist nicht möglich, wenn der Wirtschaftsakteur zu Zwecken der Verbesserung der Barrierefreiheit fremde Mittel erhalten hat.

Rechtsbehelfe, Sanktionen und Bußgelder

Sowohl Verbraucher als auch Verbände für Behindertengleichstellung können nach § 32 BFSG beantragen, dass die Marktüberwachungsbehörde ein Verfahren zur Durchführung von Maßnahmen einleitet, die die Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit den Barrierefreiheitsanforderungen herstellen soll. Das Verfahren kann von der jeweiligen Behörde auch selbstständig eingeleitet werden. Sie muss eine Prüfung einleiten, wenn sich ein Marktakteur auf § 16 oder 17 BFSG berufen hat oder sie Grund zur Annahme hat, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht die Barrierefreiheitsanforderungen der BFSGV erfüllt (§§ 21, 22, 28 BFSG).

Fällt die Prüfung der Konformität mit den Anforderungen negativ aus, setzt sie dem Marktakteur eine angemessene Frist, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Wird dieser Forderung innerhalb der Frist nicht nachgekommen, hat die Marktüberwachungsbehörde das Recht die Bereitstellung des Produkts auf dem deutschen Markt einzuschränken, zu untersagen oder dafür zu sorgen, dass das Produkt zurückgenommen oder zurückgerufen wird (§ 22 Abs. 4 BFSG).

Bei Dienstleistungen kann die Marktüberwachungsbehörde anordnen, das Angebot oder die Erbringung einzustellen (§ 29 Abs. 3 BFSG).

Neben den Sanktionsmaßnahmen können, je nach Verstoß, Bußgelder bis zu 10.000 Euro oder bis zu 100.000 Euro verhängt werden (§ 37 BFSG). Zu den schwereren Verstößen zählen die Nichterfüllung der Pflichten für Hersteller, Einführer, Händler, Dienstleister, sowie eine mangelnde CE-Kennzeichnung eines Produkts oder eine andere Kennzeichnung, die fälschlicherweise für eine CE-Kennzeichnung gehalten werden kann.

Über Anträge von Verbrauchern oder entsprechenden Verbänden entscheidet die Marktüberwachungsbehörde durch Bescheid. Auf einen ablehnenden oder unterlassenen Bescheid steht den Antragsstellern der Verwaltungsrechtsweg offen (§ 33 BFSG). Dabei können insbesondere Verbände die Vertretung der Verbraucher wahrnehmen. Des Weiteren haben Verbraucher ein Recht auf Einleitung eines Schlichtungsverfahren nach § 16 Abs. 1 BGG.

Marktüberwachungsbehörden nach BFSG

Die Marktüberwachungsbehörden für Wirtschaftsakteure müssen in den einzelnen Bundesländern gebildet werden und sind zum Großteil noch nicht benannt, wie eine Umfrage von activeMind.legal Rechtsanwälte ergab.

Lediglich Hessen hat die Kompetenz dem Landeskompetenzzentrum Barrierefreie IT zugeordnet, welches bereits für die Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich zuständig ist. Die Länder bemühen sich mittels eines Staatsvertrags eine gemeinsame, länderübergreifende Behörde mit Sitz in Sachsen-Anhalt einzurichten. Näheres ist zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bekannt.

Landeskompetenzzentrum Barrierefreie IT (LBIT)

Landgraf-Philipp-Platz 1-7
35390 Gießen

Telefon +49 641 303-2902
E-Mail: LBIT@rpgi.hessen.de
Web: https://lbit.hessen.de/

Weitere Marktüberwachungsbehörden tragen wir hier nach, sobald uns diese bekannt werden.

Juristische Einschätzung des BFSG

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird in seinem Anwendungsbereich für einige Veränderungen sorgen, die betroffenen Menschen den Zugang und Umgang mit Produkten mit digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen gewähren. Insbesondere die Anforderungen in der BSFGV sind jedoch sehr offen formuliert, so dass in Bezug auf die konkrete Art der Umsetzung im Einzelfall Unsicherheiten bestehen.

Auch wenn die Bußgelder nicht besonders hoch angesetzt sind (etwa im Vergleich zur DSGVO oder dem AI Act), können die möglichen Maßnahmen der Behörden Unternehmen empfindlich treffen. Wie rigide die Anforderungen an die Barrierefreiheit überwacht werden, hängt von der Agilität und den Ressourcen der Marktüberwachungsbehörden ab. Die erforderliche Ausstattung ist zwar in § 20 BFSG vorgeschrieben. Da sich die Marktüberwachungsbehörden der Länder erst im Aufbau befinden, mangelt es an praktischer Erfahrung.

Entscheidend wird es jedoch auf die Auslegungen der Anforderungen in der Rechtsprechung ankommen. Zwar kann der Weg des Rechtsbehelfs für Verbraucher nach § 32 und 33 BFSG über die Marktüberwachungsbehörde und eventuell mittels eines Verbands für Behindertengleichstellung bis zur verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsgegenklage oder Untätigkeitsklage lang sein. Die Anforderungen des BSFG und der BSFGV für die Marktakteure könnten durch die Gerichte jedoch als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG ausgelegt werden, so dass konkurrierenden Unternehmen gegen Mitbewerber, die die Anforderungen nicht erfüllen, Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche zustehen.

Handlungsempfehlung für Unternehmen

Neben der Erfüllung der Anforderungen aus der BFSGV sind verschiedene Informationen bereit zu stellen. Insbesondere das Konformitätsbewertungsverfahren nach Anlage 2 und Informationen über die Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen nach Anlage 3.

Weiterhin sind bei eingeschränkter Umsetzung der Anforderungen aus BFSG und BFSGV Beurteilungen vorzunehmen, die zu dokumentieren und der zuständigen Überwachungsbehörde auf Verlangen bereitgestellt werden müssen.

Um einen Überblick über die Konformität mit den Anforderungen und den formellen Voraussetzungen zu behalten, sollten Unternehmen ein Barrierefreiheits-Managementsystem anlegen und sich umfassend über effiziente und rechtssichere Umsetzungsmöglichkeiten informieren.

Darüber hinaus können Hersteller von Produkten nach § 8 BFSG einen Bevollmächtigten ernennen, der die Pflichten des Herstellers in dessen Namen wahrnimmt. Das betrifft

  • die Pflicht die EU-Konformitätserklärung und die technischen Unterlagen gemäß § 6 Abs. 2 BFSG für die Marktüberwachungsbehörde für eine Dauer von fünf Jahren aufzubewahren,
  • der Marktüberwachungsbehörde alle Auskünfte nach § 7 Abs. 5 S. 1 BFSG zu erteilen und dieser alle Unterlagen nach § 7 Abs. 5 S. 1 BFSG auszuhändigen sowie
  • mit der Marktüberwachungsbehörde auf deren Verlangen bei allen Maßnahmen zur Herstellung der Konformität zusammenzuarbeiten, soweit die betroffenen Produkte zum Aufgabenbereich des Bevollmächtigten gehören.

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