Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll Whistleblower im beruflichen Kontext vor Repressalien schützen. Wir erklären die Regelungen für Arbeitgeber und zeigen insbesondere auf, wie Sie Compliance durch eine interne Meldestelle erreichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Whistleblower vor (beruflichen) Repressalien.
- Unternehmen und öffentliche Einrichtungen ab 50 Mitarbeitern sowie Kommunen ab 10.0000 Einwohnern müssen eine interne Meldestelle einrichten.
- Die Entgegennahme anonymer Meldungen ist nicht verpflichtend.
- Für die Bearbeitung von Meldungen und Rückmeldung an hinweisgebende Personen gelten gewisse Fristen.
Was ist der aktuelle Stand des Hinweisgeberschutzgesetzes?
Das Hinweisgeberschutzgesetz ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten (zur Entstehung siehe die Dokumentation des Deutschen Bundestages). Alle Fristen für die Umsetzung in Unternehmen sind bereits abgelaufen. Das Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen ist damit voll anwendbar.
Wen schützt das Hinweisgeberschutzgesetz?
Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht um, mit dem Ziel Personen, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit Kenntnisse über Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder andere verbindliche Regelungen erlangt haben und diese melden, vor Repressalien zu schützen. Whistleblowern solle es so möglich sein, Missstände ohne Angst vor Repressalien offenzulegen (§ 1 HinSchG).
Beschäftigte im Sinne des § 3 HinSchG sind:
- Arbeitnehmende,
- zwecks Berufsausbildung Beschäftigte,
- Beamtinnen und Beamte,
- Richterinnen und Richter (aber nicht ehrenamtliche),
- Soldatinnen und Soldaten,
- arbeitnehmerähnliche Personen sowie
- Menschen mit Behinderung, die in einer entsprechenden Einrichtung tätig sind.
An sich sollte es schließlich auch im Interesse der jeweiligen Organisation liegen, möglichst frühzeitig von Verstößen zu erfahren, um diese schnell abstellen zu können. Auch die Compliance als allgemeines Ziel wird durch das Gesetz unterstützt. Leider ist es aber längst nicht selbstverständlich, dass Personen, die Missstände offenlegen, tatsächlich auch unbehelligt bleiben. Daher verbietet das Hinweisgeberschutzgesetz, hinweisgebende Personen abzumahnen oder sonst aufgrund ihres Hinweises in irgendeiner Art zu benachteiligen.
Selbstverständlich gilt der Schutz des Hinweisgebers nur, sofern die Meldung nicht missbräuchlich, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich falsch erfolgte. In derartigen Fällen bleibt es möglich, gegen die meldende Person vorzugehen und beispielsweise Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Zum konsequenten Schutz von Hinweisgebern gilt bei Repressalien im zeitlichen Zusammenhang mit einer erfolgten Meldung eine Beweislastumkehr. Folgt etwa auf die Meldung eines Verstoßes eine Kündigung, wird ein Zusammenhang vermutet und der Arbeitgeber muss dies widerlegen. Durch die Repressalien entstandene Schäden sind der hinweisgebenden Person zu ersetzen.
Natürlich enthält das Hinweisgeberschutzgesetz auch die entsprechenden Hebel, um die Durchsetzung sicherzustellen. Verstöße gegen zentrale Vorgaben (etwa keine interne Meldestelle einzurichten) können mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet werden (§ 40 HinSchG).
Welche Hinweise werden vom Gesetz erfasst?
Unter den Schutz fallen (§ 2 HinSchG) zuerst einmal alle Meldungen über Straftaten, was den Anwendungsbereich an sich schon recht groß ausfallen lässt.
Aber auch lediglich bußgeldbewehrte Verstöße sind umfasst, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz von Beschäftigten oder deren Vertretungsorganen dient. Damit ist man beispielsweise mit Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung schon im Anwendungsbereich, genauso wie bei Nichtbeachtung von Vorschriften über den Mindestlohn oder Arbeitszeiten.
Zusätzlich unterfallen einige ausgewählte Vorschriften dem Anwendungsbereich, etwa aus dem Kartellrecht, dem Umweltrecht, dem Strahlenschutz, der Lebensmittel- und Produktsicherheit. Auch Regelungen zur Geldwäscheprävention und zur Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus sind erfasst, genauso wie der Verbraucher- und Datenschutz.
Im Einzelfall kann es schwierig zu entscheiden sein, ob ein Verstoß dem Hinweisgeberschutz unterfällt. Dass etwa Verstöße gegen das AGG nicht einbezogen sind, drängt sich nicht unbedingt auf.
Auch vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, die Meldestelle mit Bedacht auszuwählen, um sicherzustellen, dass neben der korrekten Behandlung gegebenenfalls auch entsprechend feinfühlig mit gut gemeinten Falschmeldungen umgegangen wird.
Was schreibt das Gesetz zu Meldestellen vor?
Externe und interne Meldestellen
Zunächst gilt es zwischen internen und externen Meldestellen zu unterscheiden.
Laut HinSchG haben hinweisgebende Personen grundsätzlich die freie Wahl, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden (§ 7 HinSchG). Das Gesetz legt lediglich nahe, sich vorzugsweise an die interne Meldestelle zu richten, sofern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind.
Externe Meldestellen soll dann nur verständigt werden, wenn intern keine Abhilfe erfolgte. Als extern werden die von Bund bzw. Ländern und einigen Aufsichtsbehörden eingerichteten Meldestellen verstanden.
Pflicht interne Meldestellen einzurichten
Für die Einrichtung einer internen Meldestelle gelten unterschiedliche Regelungen für Unternehmen bzw. öffentliche Einrichtungen, meist abhängig von der Beschäftigtenzahl (§ 12 HinSchG):
- Weniger als 50 Beschäftigte: Eine interne Meldestelle ist nicht nötig. Dies bedeutet aber nicht, dass die Vorschriften über den Hinweisgeberschutz insgesamt nicht anwendbar sind! Das Gesetz gilt grundsätzlich für alle Unternehmen und Organisationen.
- 50 oder mehr Beschäftigte (bzw. im Fall von Kommunen: 10.000 oder mehr Einwohner): Eine interne Meldestelle muss bereits eingerichtet sein.
- Für einige Branchen, etwa aus dem Finanz- und Versicherungssektor, gilt die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ungeachtet der Mitarbeiterzahl.
Organisation interner Meldestellen
Der Begriff interne Meldestelle ist leicht irreführend. Als intern gelten alle Meldestellen, die eine Organisation selbst bestellt. Damit sind also sowohl Meldestellen gemeint, die innerhalb der Organisation aufgebaut werden, als auch solche, für die ein Dienstleister eingesetzt wird (§ 14 HinSchG). Es ist folglich nicht notwendig, eigenes Personal zu schulen und einzusetzen. Den Auftrag an Stellen außerhalb der Organisation, etwa Rechtsanwälte, zu vergeben, ist ohne weiteres möglich. Man spricht dann von einer sogenannten Whistleblowing-Ombudsperson.
Zwingend ist allein, dass die Meldestelle neutral, unabhängig und zuverlässig (Fachkunde!) agieren kann (§ 15 HinSchG). Beim genannten Beispiel der Rechtsanwälte sollten die Anwälte also nicht zugleich das Unternehmen vertreten, da dies einen Interessenskonflikt beinhaltet.
Hinweis für Unternehmen mit Mitarbeitervertretung: Die Einrichtung der Meldestelle ist mitbestimmungspflichtig.
Hinweis für Konzerne: Unternehmensgruppen können sich unabhängig von der Größe eine interne Meldestelle teilen (§ 14 Abs. 1 HinSchG).
Hinweis für kleinere Unternehmen: Mehrere private Beschäftigungsgeber, die jeweils nicht mehr als 249 Mitarbeitende haben, können sich eine interne Meldestelle teilen (§ 14 Abs. 2 HinSchG).
Verpflichtende Meldewege
Meldestellen müssen Hinweise mündlich (z.B. telefonisch), schriftlich (z.B. mittels Hinweisgebersystem oder E-Mail) und persönlich entgegennehmen, sofern die hinweisgebende Person dies wünscht.
Die Meldestelle muss alle Meldungen sorgfältig und dauerhaft dokumentieren. Für mündliche Meldungen gelten dabei besondere Vorschriften, wenn eine Aufzeichnung oder ein Wortprotokoll erfolgen soll.
Anonyme Meldungen
Es steht Organisationen frei, ob sie die Möglichkeit anonymer Meldungen anbieten. Der Gesetzgeber hat sich nicht dazu durchringen können, eine solche Möglichkeit vorzuschreiben. Stattdessen findet sich in Paragraf 16 HinSchG die schwammige Formulierung:
„Die interne Meldestelle sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten.“
Ungeachtet dessen unterliegt die Identität der hinweisgebenden Person sowie der Personen, die von der Meldung betroffen sind, besonderem Schutz (§ 8 HinSchG). Die Identität darf grundsätzlich nur Mitarbeitenden offengelegt werden, die für die Behandlung der Meldung konkret zuständig sind (§ 16 HinSchG). Ausnahmen gelten, wenn etwa Ermittlungen im Rahmen der Strafverfolgung auf die Meldung erfolgen (§ 9 HinSchG).
Tipp: Lesen Sie dazu unseren Ratgeber über Datenschutz beim Whistleblowing.
Fristen bei internen Meldungen
Interne Meldestellen müssen folgende Fristen einhalten (§ 17 HinSchG):
- Eingangsbestätigung zur Meldung an die hinweisgebende Person innerhalb von sieben Tagen;
- Rückmeldung an die hinweisgebende Person über geplante oder bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie die Gründe dafür innerhalb von drei Monaten.
Umgang mit Meldungen
Neben den bereits erwähnten Fristen und dem Gebot der Vertraulichkeit macht das Hinweisgeberschutzgesetz einige zentrale Vorgaben zum Umgang mit Meldungen in internen Meldestellen (§ 17 und § 18 HinSchG):
- Zunächst muss eine Prüfung erfolgen, ob die Meldung in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, ob das bemängelte Fehlverhalten in § 2 HinSchG genannt wird.
- Anschließend ist die Stichhaltigkeit der Meldung zu prüfen. Dafür kann mit der hinweisgebenden Person weiter kommuniziert werden (sofern möglich, insbesondere bei anonymen Meldungen).
- Treffen die beiden ersten Punkte zu, kann die interne Meldestelle als Folgemaßnahmen insbesondere interne Untersuchungen einleiten oder das Verfahren an andere Stellen verweisen (auch an zuständige Behörden).
Was Unternehmen jetzt tun sollten
Da das Hinweisgeberschutzgesetz bereits in Kraft getreten ist und alle Fristen abgelaufen sind, müssen Unternehmen schnell handeln, wenn die folgenden Punkte noch nicht (ausreichend) umgesetzt sind. Bußgelder können jederzeit verhängt werden.
- Bei 50 oder mehr Mitarbeitenden: Einrichtung einer internen Meldestelle, bevorzugt als Hinweisgebersystem und ggfs. kombiniert mit einer (externen) Whistleblowing-Ombudsperson.
- Erstellen und Bekanntmachen einer Richtlinie Whistleblowing (oder ähnlich) zum Umgang mit erfolgten Meldungen.
- Prüfung und ggfs. Anpassung bereits vorhandener Regelungen zum Whistleblowing auf Compliance mit dem Hinweisgeberschutzgesetz sowie Kommunikation aller Änderungen an die Belegschaft.
- Anpassung von Regelungen zu arbeitsrechtlichen Sanktionen und zu Beförderungen, um der Beweislastumkehr im Falle hinweisgebender Personen gerecht zu werden.