Seit Anfang 2023 müssen größere Unternehmen in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beachten. Wir erklären die wichtigsten Vorgaben, geben Tipps zur konkreten Umsetzung und zeigen die Unterschiede zur kommenden EU-Lieferketten-Richtlinie.
Was ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bzw. kurz: Lieferkettengesetz – verpflichtet Unternehmen, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards nachzukommen.
Das Gesetz wurde am 22. Juli 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft.
Das Lieferkettengesetz bezieht sich auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP). Durch die Einhaltung von Sorgfaltspflichten sollen die Rechte von Menschen sowie der Umweltschutz in globalen Lieferketten gestärkt werden. Darüber hinaus sollen auch die Interessen der Unternehmen hinsichtlich Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen berücksichtigt werden.
Für wen gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland sind adressiert. Das Gesetz gilt auch für deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen.
Das Lieferkettengesetz gilt im ersten Schritt ab 2023 für alle Unternehmen mit über 3.000 Beschäftigten in Deutschland. Im zweiten Schritt (ab Januar 2024) müssen sich auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland an die Vorgaben halten.
Was müssen betroffene Unternehmen nach LkSG beachten?
Das LkSG begründet Sorgfaltspflichten zur Einhaltung bestehender internationaler Vereinbarungen zu Menschrechten und umweltbezogenen Vorgaben. Diese Pflichten bestehen innerhalb der Grenzen der Angemessenheit, geben Unternehmen somit einen gewissen Gestaltungsspielraum und erstrecken sich neben dem eigenen Geschäftsbereich auch auf unmittelbare Zulieferer.
Unternehmen sollen ein umfassendes Risikomanagementsystem etablieren sowie regelmäßige Risikoanalysen durchführen. Das Risikomanagement muss in die jeweiligen Geschäftsprozesse, wie etwa die Lieferantenauswahl, integriert werden. Es bestehen umfangreiche Dokumentationspflichten, wie ein jährlich zu veröffentlichender Bericht, indem das Unternehmen Risiken in der Lieferkette, Gegenmaßnahmen und Außenwirkungen für zukünftige Aktivitäten darlegt. Eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte ist zu erstellen.
Darüber hinaus ist ein Beschwerdemechanismus einzurichten.
Tipp: Lesen Sie unseren ausführlichen Ratgeber zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens nach dem Lieferkettengesetz.
Welche Verstöße fallen unter das LkSG?
Die betroffenen Unternehmen stehen in der Verantwortung, dass ihre Lieferanten nicht gegen Menschenrechte und den Umweltschutz verstoßen. Darunter zählen Zwangsarbeit, Kinderarbeit, und Diskriminierung. Ferner dient das Gesetz dem Schutz vor Landraub, dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, dem Recht auf faire Löhne, dem Recht, Gewerkschaften zu bilden sowie dem Schutz vor umweltrechtlichen Verstößen.
Was müssen Unternehmen bei festgestellten Verstößen in der Lieferkette tun?
Bei einem Verstoß im eigenen, inländischen Geschäftsbereich müssen unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen (§ 7 Abs. 1 LkSG).
Bei unmittelbaren Zulieferern müssen die verantwortlichen Unternehmen unverzüglich ein Konzept zur Beendigung oder Minimierung erstellen, wenn die Verletzung nicht in absehbarer Zeit beendet werden kann. Unmittelbare Zulieferer (§ 2 Abs. 7 LkSG) sind Partner eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, deren Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind.
Mittelbare Zulieferer (§ 2 Abs. 8 LkSG) werden nur passiv überwacht. Dies sind Unternehmen, deren Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung nicht notwendig sind. Der Begriff ist allerdings weit zu definieren und umfasst z.B. auch Subunternehmer (wie etwa Reinigungsleistungen). Die Umsetzung von Sorgfaltspflichten umfassen auch Risiken bei mittelbaren Zulieferern. Bei substantiierter Kenntnis, sprich tatsächlichen Anhaltspunkten, müssen anlassbezogen und unverzügliche Maßnahmen, namentlich eine Risikoanalyse und angemessene Präventivmaßnehmen in Form von Kontrollmaßnahmen, ergriffen werden. Das Beschwerdeverfahren erstreckt sich auch auf mittelbare Zulieferer.
Empfehlungen zur Einführung eines Risikomanagementsystems
Eigener Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer
Verantwortung
Erforderlich ist eine Festlegung, wer im Unternehmen für die Überwachung des Risikomanagements verantwortlich ist.
Vorprüfung
Grundlage des Risikomanagementsystems ist die Vorprüfung der gesamten Lieferkette. Alle Zulieferer sollten identifiziert und auf ihr Gefahrenpotenzial hin überprüft werden. Mit Lieferanten die als kritisch eingeschätzt werden, sollte gemeinsam eine Strategie für das weitere Vorgehen abgestimmt und umgesetzt werden.
Risikoanalyse
Im Rahmen der Risikoanalyse ist ein Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf Menschenrechte umzusetzen. Diese erfolgt jährlichen und zusätzlich anlassbezogen.
Grundsatzerklärung
In einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte erfolgt eine Beschreibung des Risikomanagements und die Darstellung aller relevanten Risiken.
Vorbeugende Maßnahmen
Implementierung der in der Grundsatzerklärung definierten Menschenrechtsstrategie. Jährliche und fallweise Überprüfung der Vorgaben.
Beschwerdemechanismus
Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, durch welches Beschwerden von Betroffenen ermöglicht werden. Eine Überprüfung des Verfahrens erfolgt in denselben Zyklen, wie die Risikoanalysen.
Abhilfemaßnahmen
Sofortige Abhilfe, wenn eine Menschenrechtsverletzung droht oder erfolgt ist. Beim unmittelbaren Lieferanten einen konkreten Plan erarbeiten, um die Verletzung zu verringern und künftig zu vermeiden, wenn das Unternehmen die Verletzung nicht in absehbarer Zeit selbst aufhalten kann.
Dokumentation
Fortlaufende Dokumentation und Erstellung eines jährlich zu veröffentlichenden Berichts.
Mittelbare Lieferanten
Die folgenden Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht sind nur anlassbezogen erforderlich, wenn das Unternehmen von einem möglichen Verstoß bei einem indirekten Lieferanten erfährt:
- Eine Risikoanalyse durchführen.
- Ein Konzept festlegen, um die Verletzung der Menschenrechte zu minimieren und zu vermeiden.
- Gegenüber dem Verursacher der Menschenrechtsverletzung angemessene Präventionsmaßnahmen bestimmen.
- Beschwerdemechanismus einrichten.
Welche Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung des LkSG?
Sollten Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen, können Bußgelder von bis zu 800.000 Euro bzw. 8 Millionen Euro für juristische Personen und Vereinigungen oder bis zu 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen betrifft nur Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro.
Verantwortlich für die Kontrolle ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Kontrollbefugnisse umfassen das Betreten von Geschäftsräumen, das Verlangen von Auskünften und die Einsichtnahme in Unterlagen. Zudem kann das BAFA Unternehmen auffordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten vorzunehmen und dies durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchsetzen.
Ausblick auf die EU-Lieferketten-Richtlinie
Am 24. April 2024 stimmte im EU-Parlament eine Mehrheit der Abgeordneten für die europäische Lieferketten-Richtlinie. Das Ziel ist die globale Einhaltung von Menschenrechtsstandards und die Stärkung des Umweltschutzes.
Die EU-Lieferketten-Richtlinie gilt für alle Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle beträgt 450 Millionen Euro. Eine zuvor durch die Länder kontrovers diskutierte Regelung, wonach die Grenze bereits für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten sollte, setzte sich nicht durch.
Kleine und mittlere Unternehmen sind von der EU-Lieferketten-Richtlinie also nicht direkt betroffen, aber oftmals indirekt, z.B. als Zulieferer der beteiligten Großunternehmen.
Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU unterliegen der EU-Lieferketten-Richtlinie, wenn sie die nötige Mitarbeiteranzahl insgesamt erfüllen und in der EU den nötigen Umsatz erwirtschaften.
Die EU-Staaten müssen die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. Dann muss Deutschland möglicherweise sein Lieferkettengesetz überarbeiten und nachschärfen. Das deutsche Lieferkettengesetz bezieht sich hauptsächlich auf die eigenen Standorte und direkte Lieferanten. Bei der EU-Lieferketten-Richtlinie stehen auch indirekte Zulieferer (sofern es sich um eine dauerhafte und etablierte Geschäftsbeziehung handelt) sowie die Nutzer und Entsorger hergestellter Produkte im Fokus.
Fazit
Zumindest für größere Unternehmen bringt das deutsche LkSG in seiner aktuellen Fassung zahlreiche und komplexe Anforderungen mit sich. Die allgemeine und unkonkrete gesetzliche Normierung erlaubt eine Anpassung an das jeweilige Unternehmensumfeld. Dies erfordert aber juristische Expertise; betroffene Unternehmen sollten sich von entsprechend erfahrenen Compliance-Anwälten bei der Errichtung eines Lieferketten-Risikomanagementsystems beraten lassen.
Spätestens mit dem europäischen Vorhaben werden die Schwellen für die Anwendbarkeit sinken und auch mittelständige Unternehmen adressieren. Es bleibt abzuwarten, welche Erfahrungen der deutsche Gesetzgeber bis dahin gesammelt hat und wie die EU-Richtlinie konkret in einer Überarbeitung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes umgesetzt wird.